Sonntag, 10. Mai 2015

Das erste Date



Sorgfältig schminkt Carina sich, anschließend steht sie lange vor dem Kleiderschrank und überlegt, bis sie sich für die hautenge Glitzerjeans und das bauchfreie Top, darüber die Spitzenbluse entscheidet. Als er nicht pünktlich um zwanzig Uhr an der Tür klingelt, sorgt sie sich. Hat er sie versetzt? Vielleicht findet er ihre Freundin Anna mit ihren langen schwarzen Haaren attraktiver? Immer wieder läuft sie im Zimmer auf und ab, bleibt am Fenster stehen und lugt hinter der Gardine zum Fenster hinaus.
Endlich hält sein Wagen vor dem Haus und er steigt aus. Sie lässt sich Zeit, als er klingelt. Dafür akzeptiert sie sofort seinen ersten Vorschlag zum Italiener zu gehen. Dort ist es voll, sie sind zu spät dran. In der Ecke vorm Klo bekommen sie noch den kleinen Tisch. Normalerweise wird hier das Geschirr abgestellt. Carina findet es gut, abseits zu sitzen. So können sie sich besser unterhalten. Doch kaum hat der Kellner ihnen die Cola hingestellt, brummt sein Smartphone und er liest die Mitteilungen. Carinas Frage beantwortet er zerstreut, weil er gleichzeitig eine Antwort eintippt. Anschließend studiert er seine eingegangenen E-Mails.
Gelangweilt schaut sich Carina die Fotos an der Wand an. Würden sie weiter vorne sitzen, könnte sie wenigstens die anderen Gäste beobachten. Soll sie ebenfalls ihr Handy zücken? Sie hofft auf viele Retweets bei Twitter. Sie braucht unbedingt noch 50 neue Follower, dann hat sie endlich Anna übertroffen. Aber sie ist doch extra hierhergekommen, um Vincent kennenzulernen, also lässt sie ihr Handy stecken.
Erst als der Kellner die Pizza bringt, legt Vincent das Smartphone aus der Hand, schnell greifbar neben den Teller.
„Wollen wir gleich ins Kino gehen?“, fragt er. Carina nickt.
Vincent legt Messer und Gabel aus der Hand und sucht im Internet nach dem Kinoprogramm. „Nebenan läuft gleich ein Horrorfilm und eine deutsche Komödie. Im Cineklacks läuft der neue Film mit Brad Pitt und noch so ein komischer französischer Film.“
„Die Komödie“, sagt Carina. „Da können wir zu Fuß hingehen.“ Sie nimmt sich vor, ganz eng neben ihm zu laufen, damit er gezwungen wird, seinen Arm um sie zu legen.
Es klappt wie gehofft. Gleich auf der Straße berühren sich ihre Schultern und Hüften und er legt seinen Arm um ihre Schulter. Doch dann zückt er sein Smartphone und telefoniert mit seinem Freund bis sie das Kino erreichen. Selbst in der Warteschlange an der Kasse surft er bei Facebook. Er merkt gar nicht, wie sich Carina aus seinem Arm löst, als ein paar Kinogäste an ihnen vorbei aus dem Saal drängen, und mit ihnen gemeinsam das Kino verlässt.



©Annette Paul