Sonntag, 15. Dezember 2013

Weihnachtsvorbereitungen



„Was schenken wir Mama und Papa zu Weihnachten?", fragt Jana und schaut ihren Bruder an.
„Mama bekommt den Topflappen, den ich in der Schule häkle und für Papa bastele ich so ein Häuschen für die Streichhölzer." Olli zeigt in sein Bastelbuch.
„Und ich baue die kleinen Lebkuchenhäuser aus Keksen für Mama und Papa." Jana blättert zur nächsten Seite. Die Häuschen sehen wirklich niedlich aus.
„Oma wünscht sich so einen großen Transparentstern, da kannst du mir helfen, der ist ganz schwer zu machen und dauert lange", meint Olli.
Jana nickt. Gemeinsam ziehen sie in die Küche und räumen Mamas Vorratsschrank aus. Puderzucker, Bonbons und Kekse legt Jana auf den Küchentisch. Olli kramt die Pappteller vom Sommerfest aus der hintersten Schrankecke. Jana rührt Puderzucker mit Wasser an und dann kleben sie zwei kleine Häuschen aus Keksen und verzieren sie mit Bonbons.
„Die sind gut geworden. Lass uns auch noch für uns selbst welche machen", schlägt Olli vor.
Jana kratzt den Zuckerguss in der Schüssel zusammen. „Für zwei reicht der Zucker noch.“ Also baut jeder noch ein Häuschen für sich selbst.
„Basteln wir jetzt noch?" Olli trägt die Lebkuchenhäuser vorsichtig in sein Zimmer und versteckt sie auf seinem Schrank.
„Wir müssen erst die Küche aufräumen, sonst wird Mama böse." Jana lässt Wasser in die Spüle einlaufen und wäscht die Schüssel, die Löffel und Messer ab.
Olli räumt die restlichen Bonbons und Kekse weg. Dann wischt er den Küchentisch ab. „Gut, wir machen morgen weiter", sagt er.
Am nächsten Tag setzen sich die beiden gleich nach den Hausaufgaben hin und basteln.
Olli baut für Papa mit Tonkarton ein Häuschen für die Streichhölzer. Und Jana stellt Weihnachtskarten für Opa her. Anschließend falten sie zwei große Transparentsterne. Einen für Oma und einen für ihr Wohnzimmerfenster.
„Schade, dass nicht immer Advent ist", sagt Olli und hängt den Stern an das Wohnzimmerfenster. Gut sieht es aus und die Farben leuchten schön bunt.

©Annette Paul

Sonntag, 1. Dezember 2013

Adventsfreuden



Tini freut sich. Morgen ist erster Advent. Sie liebt die Vorweihnachtszeit. Alles ist so schön geschmückt. Die Wohnung riecht nach Keksen, Bienenwachs und Tanne.
„Mama, darf ich beim Auspacken der Weihnachtssachen helfen?", fragt Tini.
„Natürlich, nach dem Kaffeetrinken fange ich an."
Tini geht mit Mama in den Keller und holt die Kartons mit den Weihnachtssachen herauf.
Mama packt die große Pyramide aus und steckt Kerzen in die Halter.
Tini nimmt den Fensterschmuck. In ihrem Zimmer und in Mamas und Papas Schlafzimmer klebt sie weiße Schneeflocken, Tannenbäume, Engel und Weihnachtsmänner an die Scheiben.
In die Küche kommt der große Weihnachtsstern, den sie im letzten Jahr gebastelt hat. Und an das Wohnzimmerfenster hängt sie die Krippenfiguren aus Tonkarton.
„Die Könige brauchen noch ein Kamel", sagt sie.
„Und die Engel fehlen. Die kannst du in diesem Jahr basteln", schlägt Mama vor.
Mama hängt einen Adventskranz an die Tür. Dann holt sie die Tannenzweige vom Balkon. Heute Morgen haben sie sie auf dem Wochenmarkt gekauft. Mama stellt sie in eine Vase. Tini hängt Sterne aus Goldfolie daran.
Schließlich packt Mama noch ein paar Holzengel aus und steckt Kerzen fest. Tini verteilt die Engel im Wohnzimmer. Am liebsten hat sie den kleinen Engel, der einen Schlitten mit Geschenken zieht. Aber auch die kleine Musikkapelle mag sie. Jedes Jahr kommt etwas dazu. Mama und Tini suchen sich auf dem Weihnachtsmarkt immer einen niedlichen Engel aus.
Dann haben sie alles ausgepackt. Tini schaut sich um. Es sieht richtig weihnachtlich aus. Jetzt ist wirklich Advent.

 ©Annette Paul

Sonntag, 3. November 2013

Ratte Prinz im Weihnachtsbaum

Seit Tagen tuscheln die Großen miteinander. Was die wohl haben? Selbst wenn ich meine Ohren spitze, höre ich nichts. Dabei besitze ich ein viel feineres Gehör als die Menschen.
Einmal schnappe ich etwas wie Überraschung und Geschenke auf. Doch dann bemerkt Schneeweißchen, die große Schwester meiner Prinzessin, dass Rapunzel und ich in der Nähe sind und zischt: „Pst“. Danach ist kein Wort mehr zu verstehen. So eine Gemeinheit, als ob ich etwas verraten würde! Für wen halten die mich? Ich bin der beste Geheimnisbewahrer der Familie!
Rapunzel kommt mittags mit klebrigen Fingern aus der Schule. Sie ist sechs Jahre alt und geht in die erste Klasse. Vor ein paar Monaten hat sie mir das Leben gerettet und mich mit einem Schal aus einem Kanal gezogen, sonst wäre ich ertrunken. Deshalb nennen ihre Geschwister sie jetzt Rapunzel, nach der Prinzessin aus einem Märchen. Sie ließ den Prinzen an ihrem Haar hochklettern.
Ich bin eine kleine goldfarbene Ratte aus königlicher Familie. Eine alte Prophezeiung sagt, dass wir einst verhext wurden. Deshalb können wir uns mit den Menschen in ihrer Sprache unterhalten. Erst wenn der auserwählte Prinz eine liebende Prinzessin findet, werden wir erlöst. Deshalb bleibe ich bei Rapunzel. Allerdings wird es noch lange dauern, bis sie erwachsen ist und mich heiraten kann.
„Nimmst du mich morgen mit zur Schule?“, frage ich am Abend, als sie ihren Schlafanzug anzieht.
„Nein, das geht nicht.“
„Warum nicht? Ich bleibe im Ranzen und bin ganz leise“, verspreche ich.
Rapunzel lacht nur.
„Wenn du mich hierlässt, ärgere ich deinen Vater“, drohe ich.
Sie schüttelt den Kopf, dann schlüpft sie unter die Decke und nimmt sich ein Buch. Sie darf jeden Abend zwei Seiten lesen, bevor sie schlafen soll.
„Ich nage in der Vorratskammer alle Lebensmittel an.“ Irgendwie muss ich sie doch herumbekommen.
Aber sie antwortet gar nicht mehr, so vertieft ist sie in ihr Buch.

Wenn sie mich schon allein lassen, muss ich halt jede Gelegenheit nutzen, um einen Spaziergang zu machen. Am nächsten Morgen herrscht wie üblich Lärm und Unruhe. Rapunzel kommt noch einmal in das Zimmer um ihren Turnbeutel zu holen.
„Rapunzel, beeile dich, sonst kommst du zu spät“, ruft Nachtigall.
„Prinz braucht Wasser.“
„Das mache ich, mit dem Fahrrad bin ich schneller in der Schule.“ Zorro, der zweitälteste der Geschwister, schiebt Rapunzel samt Turnbeutel aus dem Zimmer. Dann beugt er sich zu mir herunter, schüttet etwas Futter in den Napf und holt aus dem Badezimmer frisches Wasser. Dabei hakt er meine Käfigtür nicht richtig ein. Sobald Ruhe einkehrt, klettere ich raus und springe die Treppe hinunter. Ich habe Glück, die Wohnzimmertür steht offen. Normalerweise ist sie geschlossen. Ich schlüpfe hinein und sehe mich gründlich um. „Ihr dürft nur zum Klavierspielen ins Wohnzimmer oder wenn wir dabei sind!“, hat Nachtigall bestimmt. Nachtigall ist Rapunzels Mutter. Sie wird so genannt, weil sie Sängerin ist und schön wie eine Nachtigall singt.
Im Wohnzimmer stehen ganz viele Bücher im Regal. Und auf einem Tisch neben dem Klavier stapeln sich Noten. Bergeweise. Wer soll das bloß alles spielen? Ich schaue es mir an. Obenauf liegen Stücke von Beethoven. Dabei klimpert hier niemand den alten Beethoven. Die Kinder lieben eher Schlager und selbst Nachtigall bevorzugt modernere Stücke.
An der Wand hängen sehr bunte Bilder. Sicher stammen sie von Picasso. Nicht dem berühmten Maler, der vor vielen Jahren gelebt hat, sondern Rapunzels Vater. Der versucht nämlich, mit seiner Kleckserei Geld zu verdienen. Die Kinder nennen ihn deshalb respektlos Picasso. Seine Bilder sehen wirklich so ähnlich aus wie bei dem großen Künstler. Lauter Farbspritzer, unter denen man sich nichts vorstellen kann. Vor einiger Zeit konnte man wenigstens noch ein paar verzerrte Gesichter erkennen, aber momentan sind es nur Striche, Vierecke, Kreise und Punkte.
In einer Ecke stehen ein Computer und ein Fernsehgerät. Die Kinder dürfen nur selten fernsehen, sie sollen nämlich lieber auf ihren Musikinstrumenten Krach machen. Wie gut, dass wir in einem alten Haus mit einem großen Garten wohnen. Dadurch leiden die Nachbarn nicht so sehr unter dem Lärm. Der eigentliche Grund für das Verbot ist sicher die Angst, dass der alte Fernseher ganz kaputt geht.
Gerade als ich es mir auf der Sofalehne gemütlich machen will, höre ich Schritte näherkommen. Vorsichtshalber springe ich auf den Tisch nebenan und verstecke mich unter einem Notenheft.





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Sonntag, 20. Oktober 2013

Ich weiß nicht, was ich tun soll




Lustlos schaut Marvin zu Mama. „Mama, mir ist so langweilig. Ich weiß nicht, was ich tun soll", jammert er.
„Mal doch etwas", schlägt Mama vor. Sie lässt warmes Wasser in das Spülbecken laufen.
„Will ich nicht", lehnt Marvin ab. Er setzt sich auf den Hocker vor dem Küchentisch.
„Schau dir ein Buch an", meint Mama. Sie gibt Spülmittel ins Wasser und legt vorsichtig die Gläser hinein.
„Keine Lust", murrt Marvin.
„Willst du mir helfen?" fragt Mama.
Marvin nickt.
„Du kannst für mich abtrocknen", sagt Mama und spült weiter das Geschirr.
Eifrig holt sich Marvin das Geschirrtuch und trocknet ab. Bald räumen sie gemeinsam das saubere Geschirr in den Schrank. „Und was soll ich jetzt machen?", fragt Marvin.
„Du kannst die Blumen gießen", sagt Mama.
Marvin holt die Gießkanne und gießt die Blumen. Als er den letzten Blumentopf versorgt hat, geht er wieder zu Mama. „Und was soll ich jetzt machen?", fragt Marvin.
„Du kannst Staub wischen", schlägt Mama vor.
Marvin holt das Staubtuch und wischt die Anrichte und den Tisch und die Armlehnen der Stühle ab. Die Schränke sind zu hoch. Da kommt er nicht an. Als er fertig ist, läuft er zu Mama und jammert: „Mama, mir ist so langweilig. Ich weiß nicht, was ich tun soll."
„Geh raus in den Garten", seufzt Mama.
„Und was soll ich da machen?", fragt Marvin.
„Du kannst schaukeln", sagt Mama. Sie füllt einen Eimer mit Wasser, holt den Wischlappen und den Schrubber.
Marvin schüttelt den Kopf.
„Oder im Sandkasten spielen."
Marvin schüttelt wieder den Kopf.
„Dann schau dir die Vögel an, die Blumen und die Wolken am Himmel", befiehlt Mama.
„Aber das ist langweilig", murrt Marvin.
„Manchmal langweilt man sich eben", erklärt Mama und schiebt Marvin hinaus.
Sie macht die Tür hinter ihm zu. Marvin bleibt beleidigt an der Tür stehen. Da brummt eine Hummel an ihm vorbei. Neugierig folgt er ihr. Sie fliegt zu den Blumen und kriecht in eine Blüte hinein. Ihr Hinterteil wird dabei ganz gelb. Viele Bienen und Hummeln sitzen auf den Blüten. Marvins Hummel fliegt weiter, über Marvin hinweg. Marvin schaut ihr nach, in den Himmel hinein.
Am blauen Himmel fliegen weiße Wolken. Sie scheinen sich zu jagen. Eine Wolke sieht aus wie ein Schiff, eine andere wie ein Schaf. Gespannt beobachtet Marvin sie. Jetzt langweilt er sich nicht mehr.


© Annette Paul

Sonntag, 29. September 2013

Kimspiel




Christa blickte in das Schaufenster, schloss die Augen und zählte in Gedanken die Gegenstände hinter der Scheibe auf. Fünf. Sie öffnete ihre Augen und kontrollierte ihr Ergebnis. Als Kind hatte sie dieses Spiel oft mit ihren Freundinnen gespielt. Damals hatte sie sich an mindestens zehn Dinge erinnert. Sie war untrainiert.
„Erinnerst du dich noch an das Kim-Spiel?", fragte sie Erika.
„Ach ja, das haben wir doch so oft gespielt."
Erika schloss die Augen und zählte auf: „Zwei Waschmaschinen, eine Bosch und eine von AEG, einen Trockner von Bosch, eine Espressomaschine, einen Herd, einen Mixer und eine Küchenmaschine..."
Christa erstarrte. Es stimmte also.
„Du wirst alt, du leidest an Gedächtnisschwund", warf ihr Uwe in letzter Zeit immer vor.
Er wollte sie schon seit Längerem in einem Altersheim unterbringen.
Christa beschloss, sich sofort für einen Gedächtnistrainingskurs an der VHS anzumelden. So schnell sollte ihr Sohn die Eigentumswohnung noch nicht bekommen.

©Annette Paul