Sonntag, 26. Mai 2013

„Fang mich doch“




Nils kauft mit Mama ein. Sie gehen in ganz viele Geschäfte. Und Mamas Taschen sind voll und schwer. Nils hat keine Lust mehr. Er ist müde. Und seine Füße tun weh.
„Mama, ich kann nicht“, jammert Nils.
„Dann gehen wir zum Marktplatz. Dort sind Bänke“, sagt Mama.
Am Marktplatz setzen sie sich beim Brunnen auf eine Bank. Mama kauft beim Eismann zwei Eis. Nils passt solange auf die Taschen auf. Dann essen sie ihr Eis. Mama schließt die Augen und ruht sich aus. Die Sonne scheint, und es ist warm.
Nils langweilt sich. Er steht auf und geht zum Brunnen. Er taucht die Hände in das Wasser und spritzt. Das macht Spaß. Als er genug gespritzt hat, klettert er auf den Brunnenrand und läuft im Kreis herum.
„Nils, komm sofort herunter“, ruft Mama.
Aber Nils will nicht. Er läuft weiter.
„Nils, komm“, ruft Mama und steht auf. Sie geht zu Nils. Nils läuft weg und lacht.
„Spring runter, bevor du hineinfällst“, ruft Mama und läuft hinterher.
„Fang mich doch“, ruft Nils und rennt weg.
Platsch. Nils hat nicht aufgepasst. Jetzt liegt er im Brunnen und schreit ganz laut.
Schon ist Mama da und hebt ihn aus dem Wasser.
„Junge, ich habe es doch gesagt“, stöhnt Mama.
Nils weint, er ist ganz unglücklich. Aus seinen Haaren und seiner Kleidung läuft Wasser heraus. Unter ihm bildet sich eine Pfütze.
„Wie gut, dass die Sonne scheint“, sagt Mama und lacht.
Nils schaut zu ihr hoch. Er hört auf zu weinen. Schließlich lacht er mit Mama.
„So können wir nicht nach Hause gehen. Sonst wirst du krank. Komm, wir kaufen dir trockene Sachen“, sagt Mama. Sie nimmt Nils an die Hand und sammelt ihre Taschen ein. Gemeinsam gehen sie in den Laden neben dem Brunnen. 




©Annette Paul

Sonntag, 12. Mai 2013

Anna will tanzen lernen




„Mama, Fredy geht zum Tanzen“, schreit Anna und läuft Mama entgegen.
Mama umarmt sie. „So, so, schön“, murmelt Mama und hilft Anna in die Schuhe hinein.
„Mama!“
Mama schaut nicht auf. Sie schnürt die Schuhe zu. Anschließend zieht sie Anna die Jacke an.
„Mama, ich will auch tanzen.“
Mama bückt sich und hebt den Rucksack auf.
„Mia und Sarah kommen auch mit.“
„Habt ihr die Laternen fertig gebastelt?“, fragt Mama.
„Nein, ich muss sie noch zusammenkleben. Aber die Fenster sind fertig.“
„Der Laternenumzug wird bestimmt schön.“ Mama nimmt Anna an die Hand und gemeinsam gehen sie nach Hause.

Daheim läuft Anna zu Papa und fragt ihn: „Darf ich tanzen gehen?“
Papa liest Zeitung. Ohne aufzusehen sagt er: „Wenn du willst.“
Anna dreht sich zu Mama um. „Mama, ich darf mit Fredy zum Tanzen gehen.“

In den nächsten Tagen bettelt Anna so lange, bis Mama Fredys Mama fragt. Ganz lange unterhalten sich die beiden. Mama macht ein ernstes Gesicht. Anna hält es vor Spannung kaum aus. Doch bevor sie nach Hause gehen, spricht Mama noch mit Mias Mama. Jetzt lächelt sie.
Endlich gehen sie nach Hause. Anna hüpft an Mamas Hand die Straße entlang.
„Fredys Mama holt mich morgen Nachmittag ab. Dann gehen wir tanzen“, sagt Anna.
Mama bleibt stehen. Sie schaut Anna ernst an. „Anna, Fredys Eltern haben viel Geld und Fredy hat keine Geschwister. Die Tanzschule ist sehr teuer. So viel Geld haben wir nicht.“
„Doch, Papa hat ganz viel Geld. Die ganze Börse voll.“ Anna stampft mit dem Fuß auf. „Ich will auch tanzen.“
„Mausi, mit dem Geld muss Papa die Wohnung bezahlten und die Heizung und das Brot und die Milch. Und wir brauchen viel mehr Brot und Milch, weil wir drei Kinder haben und nicht nur eins.“
Anna ist traurig. Dicke Tränen schwimmen in ihren Augen und rollen schließlich über ihre Backen hinunter. „Aber Sarah und Mia gehen auch hin. Und Mia hat sogar drei Schwestern.“ Mama kann kaum verstehen, was Anna sagt, so laut schluchzt sie.
Mama nimmt sie in ihre Arme. „Mein armer Schatz. Es geht wirklich nicht. Es ist eine ganz, ganz teure Schule.“ Sie küsst Annas Tränen weg. Und als Anna nicht mehr weint, sagt sie: „Mia geht auch nicht in Fredys Tanzschule. Sie geht in den Sportverein. Da kann sie auch tanzen. Mias Schwester ist schon dort.“ Sie drückt Anna noch einmal fest. Dann nimmt sie Annas Hand und sie laufen weiter. „Vielleicht geht Sarah auch dorthin. Ihre Mama will es sich anschauen.“
Jetzt ist Anna getröstet. Wenn Mia und Sarah dort hingehen, dann ist es in Ordnung. Und sie geht auch hin. 



©Annette Paul

Sonntag, 5. Mai 2013

Heimwerker




„Ach, das Leck habe ich gleich“, tönte Udo siegessicher.
„Sollten wir nicht lieber einen ...“
„In einer halben Stunde kannst du wieder duschen“, fiel Udo Bine ins Wort.
Er öffnete den Revisionsschacht und suchte die undichte Stelle. Als Bine eine Stunde später ins Bad schaute, ragte die Badewanne durch die Zimmertüren in den Flur und weiter ins Schlafzimmer. Neben der Toilette gähnte ein großes Loch.
„Der Abfluss war es nicht“, kommentierte Udo, inzwischen im Doppelripp-Unterhemd. Schweißperlen gruben sich durch die Staubschicht auf seinem Gesicht. Er nahm einen Meißel und einen Hammer und schlug die Fliesen um den Wasserhahn herum ab.
Stundenlang ertönte das Hämmern.
Bine flüchtete zum Einkaufen. Als sie heimkam, waren drei Wände aufgestemmt, aber im Keller tropfte es noch immer. Sie brachte Udo ein Bier.
„Sollten wir vielleicht einen Klempner holen?“


©Annette Paul