Sonntag, 6. Dezember 2015

Der Weihnachtsmann ist überflüssig



Jeden Tag öffnete der Weihnachtsmann seinen Briefkasten und hoffte auf viele Wunschzettel der Kinder. Doch jeden Tag fand er nur Reklamesendungen. Da wurden Lebensversicherungen angeboten,Weinsendungen angepriesen, Immobilienmakler zeigten Interesse an seiner kleinen Hütte in Lappland und Autohändler an seinem altersschwachen Ford Modell T.
Warum sandten ihm die Kinder nicht mehr ihre Wünsche? Gut, in den letzten Jahren war er enttäuscht von ihren anspruchsvollen Forderungen gewesen. Gesellschaftsspiele, Bücher und Kleidung reichte nicht mehr, nein, es wurde ein eigener Fernseher, neuste Smartphones und teure PCs gewünscht.
Seine Wichtel aus der Werkstatt hatte er längst in Rente geschickt. Sie hatten nichts mehr zu tun. Wer wollte noch selbstgestrickte Mützen und Handschuhe, Filzpantoffel oder  Bauklötze aus der Tischlerei? Selbst die Kekse, Lebkuchen und Christstollen galten als ungesund und wurden nur noch in geringen Mengen gegessen.
Trotzdem bedauerte er, dass er in den letzten Jahren weniger Wunschezttel erhielt. Und in diesem Jahr gab es überhaupt keine mehr, dabei war schon Dezember. Wie sollte er da die Wünsche noch erfüllen? Ob es überhaupt noch Wünsche gab?
Da er nichts zu tun hatte, setzte er sich an den PC und hackte sich bei den großen Internethändlern ein. Er staunte, während er nichts zu tun und längst seine Mitarbeiter entlassen hatte, schoben die Beschäftigten dieser Firmen Überstunden, um die vielen Wünsche innerhalb kürzester Zeit zu erfüllen. Keiner von den Kunden musste wie beim Weihnachtsmann bis Weihnachten warten. Der Weihnachtsmann raufte sich seine grauen Haare.
Sein alter Chefwichtel Waldemar hatte recht gehabt: „Gehen Sie auch in den Ruhestand“, hatte er gemeint. „Genießen Sie Ihr Leben ohne verzogene Gören und Eltern, die ständig mit einem Prozess drohen.“
Und Küchenwichtelin Gertrud meinte: „Chef, machen Sie im Süden Urlaub. Sie haben es nötig. Hier bei uns ist es doch immer so kalt und dunkel.“
So kam es, dass der Weihnachtsmann in diesem Jahr einen einzigen Wunsch erfüllte: Er reservierte einen Platz in einer exklusiven Ferienanlage in der Karibik.

©Annette Paul