Walter zappte durch die Programme. Musste denn überall so
ein Weihnachtsmist kommen? Ihm war gar nicht nach Feiern zumute. Er beschloss,
früh schlafen zu gehen. Im Schrank fand er eine Bohnensuppe. Die wärmte er auf.
Früher hatte Gerda immer Karpfen gekocht. Aber heute?
Die Einladung seines Sohnes hatte er ausgeschlagen. Die
kreischenden, schlecht erzogenen Enkel waren ihm zu anstrengend, der Tannenbaum
ohne Lametta zu hässlich und die Würstchen mit Salat ließen keine festliche
Stimmung aufkommen. Und seine Vorschläge für einen Gänsebraten, traditionellen
Weihnachtsschmuck und Gedichtaufsagen der Kinder wurden schweigend übergangen.
Seine Schwiegertochter hatte sichtbar aufgeatmet, als er ablehnte.
Am letzten Adventssonntag hatte ihn seine Schwägerin
angerufen. „Gerdas Schmuck bekommst du nie!", hatte er sie angebrüllt und
aufgelegt, bevor sie etwas sagen konnte.
Nach dem Tod seiner Frau hatte sie nämlich gefragt, ob sie
den alten Familienring ihrer Mutter zur Erinnerung haben dürfte. Aber Walter
wusste es besser. Sie wollte sich nur bereichern, dabei war Gerda kaum unter
der Erde.
Walter füllte die Suppe in einen Teller und setzte sich an
den Tisch vor dem Küchenfenster. Spenglers gingen mit ihren Kindern fort.
Hoffentlich fuhren sie für ein paar Tage zu ihren Eltern. Die jungen Leute
nahmen heute keine Rücksicht mehr auf die Alten. Den ganzen Tag lang schrien
und tobten die Buben durch den Hausflur. Walter hatte sich schon öfter
beschwert. Beim letzten Mal hatte Frau Spengler ihm die Tür vor der Nase
zugeschlagen. Vielleicht sollte er doch in ein Altersheim ziehen, da gab es
wenigstens keine Kinder.
Walter wusch den Teller und den Topf ab. Dann stellte er
das Radio an. Aber auch hier fand er nur Weihnachtssendungen. Er nahm die
Zeitung; doch das meiste hatte er schon am Morgen gelesen.
Es klingelte. Walter erhob sich und schlurfte zur Tür. Auf
dem Treppenabsatz standen die drei Spengler-Jungen, der Größe nach aufgereiht.
„Frohe Weihnachten!", piepste der Kleinste.
„Entschuldigen Sie, dass wir immer so laut sind",
stieß der Große atemlos hervor und reichte ihm einen geschmückten Tannenzweig
und eine Kerze.
„Wir wollen auch keinen Krach mehr machen", fügte der Mittlere
hinzu und gab ihm ein in Weihnachtspapier verpacktes Geschenk.
Walter nahm es entgegen und fühlte einen Christstollen. Der
Kleinste wedelte mit ein paar selbstgebastelten Weihnachtssternen vor seiner
Nase herum.
Dann stimmten die Kinder ein Weihnachtslied an. Walter
kamen die Tränen.
Die bisher angelehnte Tür der Nachbarwohnung öffnete sich
und Frau Spengler trat in das Treppenhaus. „Frohe Weihnachten, Herr Lehmann. Es
tut uns Leid, dass die Jungen immer so ungebärdig sind. Können wir Sie zur
Entschädigung heute Abend zu uns bitten?"
Zu seiner eigenen Überraschung nahm Walter die Einladung
an.
©Annette
Paul