Der kleine Stern war viel jünger und kleiner als seine sechs Geschwister. Tags, wenn die Sonne schien, schliefen sie und nachts spielten sie.
Wenn sie müde wurden, blieben sie stehen und betrachteten die Erde. Sie sahen beleuchtete Häuser und Straßen. Eisenbahnen huschten über Felder und Wälder. Große Schiffe fuhren über die Meere. Immer entdeckten sie etwas Neues.
Ein Bruder wollte gern einmal mit der Eisenbahn fahren. Aber das ging nicht. Die Erde war viel zu weit weg. So spielten sie weiter am Himmel.
Im Herbst wurde die Sonne schwächer, deshalb konnten sie die Erde schon früher sehen. Da waren die Menschen noch wach. Sie hasteten über Straßen, spielten Fußball und kletterten auf Berge.
Eine Schwester wollte am Strand Drachen steigen lassen. Aber das ging nicht. Die Erde war viel zu weit weg.
Eines Tages entdeckte der kleine Stern einen Spielplatz. Kinder rutschten auf Rutschen, schaukelten auf Schaukeln und wippten auf Wippen. Wie gern hätte der kleine Stern da mitgespielt. Aber das ging nicht. Die Erde war viel zu weit weg.
Der kleine Stern überlegte. Er wollte den Spielplatz unbedingt besuchen. Am Morgen als die Sonne schien und die Sterne deswegen nicht so gut sehen konnten, schlich der kleine Stern davon. Seine Mutter, sein Vater und seine Geschwister schliefen. Erst ging er langsam, dann immer schneller. Schließlich rannte er. Er musste sich beeilen. Kurz bevor die Sonne schlafen ging, erreichte er sein Ziel. Auf den letzten Sonnenstrahlen rutsche er hinunter und landete im Sandkasten des Spielplatzes. Jetzt war es dunkel. Der Mond versteckte sich hinter Wolken. Nur der kleine Stern leuchtete. Er rannte zur Schaukel, setzte sich auf das Brett und stieß sich ab. Er beugte sich vor und zurück. Langsam bekam er Schwung. An der höchsten Stelle juchzte er vor Freude. Lange schaukelte er. Dann versuchte er zu wippen. Aber es klappte allein nicht. Weiter lief er zur Rutsche. Immer wieder kletterte er hoch und rutschte herab. Anschließend hopste er zum Karussell, schob es an, sprang auf und ließ sich drehen. Er balancierte über die Hängebrücke, kletterte den Burgturm hoch, kroch über das Spinnennetz. Die ganze Nacht spielte er.
Als die Sonne aufging, lief er zur Schaukel und nahm Schwung. Er sprang ab, hoch in die Luft und landete auf einem Sonnenstrahl. Auf dem Strahl stieg er in den Himmel. Immer weiter lief er. Am Abend erreichte er seine Eltern und seine sechs Geschwister. Müde legte er sich hin und schlief sofort ein.
© Annette Paul
"Der kleine Stern" ist in "Noch mehr Gute Nacht Geschichten", Wurdack Verlag, veröffentlicht worden.